EUDR: Auswirkungen auf die Reifen-Branche
Die EU-Entwaldungsverordnung - kurz EUDR (für European Deforestation Regulation) - ist eine neue EU-Vorschrift, die sicherstellen soll, dass Produkte auf dem europäischen Markt nicht zu Entwaldung und Waldschädigung beitragen. Diese Verordnung tritt nach einer Übergangsfrist voraussichtlich am 30. Dezember 2025 in Kraft. Im Folgenden erfahren Sie, welche Ziele die Entwaldungsverordnung verfolgt und wie insbesondere die Reifen-Branche davon beeinflusst wird.
Inhaltsverzeichnis
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Ziele der EUDR
Die EUDR soll den Beitrag der Europäischen Union zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung verringern und so Treibhausgasemissionen reduzieren sowie den Verlust der Biodiversität eindämmen. Konkret sollen keine Produkte mehr in der EU gehandelt werden, die mit der Zerstörung von Wäldern in Verbindung stehen. Laut EU-Kommission zielen die neuen Regeln darauf ab, jährlich mindestens 32 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen einzusparen, die bisher durch den EU-Verbrauch entwaldungsrelevanter Güter verursacht wurden. Die Verordnung ist Teil des europäischen Green Deal und der EU-Biodiversitätsstrategie und soll weltweit nachhaltige Lieferketten fördern.
Betroffene Produkte
Die EUDR erfasst sieben Rohstoffe und zahlreiche daraus hergestellte Erzeugnisse, die als entwaldungsgefährdend gelten. Zu den relevanten Rohstoffen gehören unter anderem:
- Rinder
- Palmöl
- Soja
- Kaffee
- Kakao
- Kautschuk
- Holz
Diese Voraussetzungen müssen die Produkte erfüllen
Die zentralen Voraussetzungen gemäß Artikel 3 der Verordnung sind:
- Entwaldungsfreiheit: Die Produkte dürfen keine Rohstoffe enthalten, die auf Flächen erzeugt wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 gerodet wurden.
- Einhaltung der Gesetze im Erzeugerland: Die Produktion muss allen einschlägigen Rechtsvorschriften des Herkunftslandes entsprechen. Dazu zählen Gesetze zum Umwelt- und Naturschutz, Nutzungsrechte für Land sowie Arbeits- und Menschenrechtsstandards im Herstellungsland.
- Sorgfaltserklärung: Für jede relevante Ware muss der Inverkehrbringer versichern, dass er eine Risikoanalyse durchgeführt hat und dass das Produkt die Kriterien der Entwaldungsfreiheit und Legalität erfüllt.
Erst wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf ein Produkt auf dem EU-Binnenmarkt angeboten bzw. exportiert werden. Andernfalls greift ein Verkehrsverbot, das betroffene Waren vom europäischen Markt ausschließt.
Die EUDR betrifft auch die Reifen-Branche
Naturkautschuk als zentraler Risikofaktor
Die Reifen-Branche ist in besonderem Maße von der Entwaldungsverordnung betroffen, denn sie verwendet als Kernrohstoff Naturkautschuk, der aus Kautschukbäumen gewonnen wird. Naturkautschuk (Hevea-Baumlatex) zählt zu den gelisteten Rohstoffen der EUDR, und Reifen (als „Luftreifen aus Kautschuk“) werden ausdrücklich als betroffenes Produkt genannt.
Die EU-Reifenindustrie ist zu 100 % auf Naturkautschuk-Importe aus tropischen Anbauregionen angewiesen - rund 85 % der EU-Importe stammen aus Indonesien, Thailand, der Elfenbeinküste und Malaysia. Global betrachtet fließt etwa 70-75 % der weltweiten Naturkautschukproduktion in die Herstellung von Reifen. Entsprechend groß ist die Bedeutung dieser Branche für entwaldungsfreie Lieferketten: Wenn für den Kautschukanbau Regenwald gerodet wurde, wirkt sich das direkt auf die Nachhaltigkeit der Reifenproduktion aus.
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Herausforderungen für die Branche
Für Reifenhersteller und -händler bedeutet die EUDR, dass sie ihre Zulieferketten für Kautschuk lückenlos zurückverfolgen und überprüfen müssen. In Zukunft muss für jede Reifencharge nachgewiesen werden, dass der darin enthaltene Naturkautschuk nicht von nach 2020 entwaldeten Flächen stammt. Eine große Herausforderung, da die Kautschuk-Lieferkette sehr komplex und fragmentiert ist: Schätzungsweise 6 Millionen Kleinbauern weltweit bauen Naturkautschuk an und beliefern über 100.000 Zwischenhändler etwa 500 Verarbeitungsbetriebe, die den Rohgummi aufkaufen. Dabei wird Latex aus verschiedenen Plantagen oft vermischt und über weite Distanzen gehandelt, was die Zurückverfolgbarkeit erschwert.
Um dennoch EUDR-konform zu werden, müssen Reifenhersteller in digitale Rückverfolgungssysteme, Geodatentechnologie und engere Kooperation mit ihren Zulieferern investieren.
Trotz allem Zustimmung
Die europäische Reifen- und Kautschukindustrie betont, dass sie die Ziele der EUDR unterstützt, auch wenn die Anforderungen hoch sind. Große Reifenhersteller und Verbände wie die European Tyre and Rubber Manufacturers’ Association (ETRMA) haben in den letzten Jahren bereits verstärkt in eine nachhaltige und rückverfolgbare Beschaffung von Naturkautschuk investiert. Die Branche engagiert sich etwa in der Global Platform for Sustainable Natural Rubber (GPSNR), um gemeinsam Umwelt- und Sozialstandards im Kautschukanbau zu verbessern. So sollen Kleinproduzenten beim Umstellen auf entwaldungsfreie Produktion unterstützt und alternative Kautschukquellen erforscht werden (z. B. Guayule oder Löwenzahn-Kautschuk).
Die EUDR könnte dadurch als Katalysator wirken, der nachhaltige Innovationen in der Reifenindustrie vorantreibt und langfristig für fairere Bedingungen in den Anbauländern sorgt.
Details zur Umsetzung
Die praktische Umsetzung der EUDR stellt Unternehmen und Behörden vor umfangreiche Aufgaben. Zunächst wurde den Beteiligten mehr Vorbereitungszeit eingeräumt: Ursprünglich sollte die Verordnung ab dem 30. Dezember 2024 gelten, doch der Start wurde nach Kritik verschoben. Für kleine und Kleinstunternehmen gelten die Vorschriften unter bestimmten Bedingungen sogar erst ab (voraussichtlich) dem 30. Juni 2026, um ihnen zusätzliche Eingewöhnungszeit zu geben. Unternehmen, die unter die EUDR fallen, müssen nun Sorgfaltspflicht-Systeme einrichten, um ihre Lieferketten zu überprüfen.
Was heißt das konkret?
Unternehmen müssen
- Informationen über Herkunftsparzellen der Rohstoffe sammeln (einschließlich geografischer Koordinaten),
- Risiken einer Entwaldung bewerten und
- Maßnahmen zu deren Minimierung ergreifen.
Jede Charge eines relevanten Produkts erfordert eine eigene Due-Diligence-Prüfung und eine Sorgfaltserklärung an eine zentrale EU-Datenbank, bevor sie auf den Markt kommt. Zur Überwachung der Einhaltung müssen die EU-Mitgliedstaaten eine oder mehrere zuständige Behörden benennen - in Deutschland übernimmt diese Rolle unter anderem die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Diese Behörden führen risikobasierte und stichprobenartige Kontrollen der Unternehmen durch. Dabei werden die bereitgestellten Nachweise (z. B. Dokumentationen und Geodaten) geprüft und bei Bedarf physische Inspektionen der Waren durchgeführt.
Die EUDR sieht außerdem ein Klassifizierungssystem vor. Erzeugerländer sollen als
- niedrigrisikobehaftet,
- Standardrisiko oder
- hochriskant
eingestuft werden, um den Kontrollaufwand zu fokussieren. Allerdings gab es um diese Risikobewertung zuletzt Diskussionen, da ein erster Entwurf überraschend nur vier Länder als Hochrisiko ausweisen wollte. Ungeachtet dessen hat die EU-Kommission im April 2025 mehrere Vereinfachungsmaßnahmen vorgestellt, um die Umsetzung effizienter zu gestalten. So dürfen große Unternehmen gleichbleibende Lieferketteninformationen in einer jährlichen Erklärung wiederverwenden statt für jede Lieferung neue Angaben zu machen, und konzernangehörige Firmen können gemeinsame Vertreter für die Berichtspflichten benennen. Diese Erleichterungen sollen den bürokratischen Aufwand um bis zu 30 % senken, ohne die Ziele der Verordnung zu gefährden.
Diese Sanktionen drohen
Die EUDR setzt bei Verstößen auf strikte Sanktionen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Die Überwachung liegt bei den nationalen Behörden, die bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten einschreiten. Unternehmen, die gegen die Vorschriften verstoßen, müssen mit empfindlichen Strafen rechnen. Zu den möglichen Sanktionen gehören:
- Hohe Geldbußen, die proportional zum Jahresumsatz des Unternehmens bemessen werden können. Damit soll sich kein Verstoß „lohnen“ - selbst große Konzerne sollen durch potenzielle Geldstrafen einen spürbaren finanziellen Verlust erleiden, falls sie entwaldungsbelastete Produkte handeln.
- Handelsbeschränkungen, die verhängt werden, etwa das Verbot, bestimmte Produkte weiter in der EU anzubieten. In gravierenden Fällen drohen sogar der Entzug von Betriebsgenehmigungen oder strafrechtliche Konsequenzen für verantwortliche Personen. Die Behörden sind auch befugt, rechtswidrig in Verkehr gebrachte Waren zu beschlagnahmen. Solche Produkte können eingezogen und entweder vernichtet oder zu wohltätigen Zwecken verwendet werden.
- Reputationsverlust, der zusätzlichen Druck ausübt, denn Öffentlichkeit und Verbraucher werden informiert, wenn Unternehmen gegen die Entwaldungsverordnung verstoßen.
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Kritikpunkte und Kontroversen
Die Entwaldungsverordnung wurde sowohl von Wirtschaftsvertretern als auch von Umweltorganisationen kritisch begleitet:
Industrie- und Handelsverbände in der EU und in Drittstaaten warnten früh vor einem „Bürokratiemonster“ und einer Überforderung insbesondere kleiner Produzenten in Entwicklungsländern. Auf Druck verschiedener Seiten - etwa Exportländer wie Indonesien, Malaysia, Brasilien sowie einiger EU-Mitgliedstaaten - beschloss die EU kurz vor dem ursprünglich geplanten Starttermin, die Anwendung um ein Jahr zu verschieben. Diese zusätzliche Frist soll es allen Beteiligten ermöglichen, sich besser vorzubereiten.
Zugleich haben Malaysia und Indonesien, die größten Palmöl- und Kautschuk-Produzenten, rechtliche Schritte eingeleitet und bei der WTO Bedenken angemeldet. Sie kritisieren die EUDR als potenziell diskriminierende Handelsbarriere, welche die Exporte agrarabhängiger Entwicklungsländer benachteilige. Der Generaldirektor der WTO hat die EU aufgefordert, mögliche Ungerechtigkeiten zu überprüfen, und es gab Diskussionen auf internationaler Ebene, wie Umweltauflagen und fairer Handel ausbalanciert werden können.
Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen äußern ebenfalls Kritik - allerdings aus entgegengesetzter Richtung. Sie befürchten, dass die Verordnung in der praktischen Umsetzung verwässert werden könnte. Insbesondere die Risikoklassifizierung der Herkunftsländer sorgte für Protest: Dass in einem Entwurf lediglich vier Länder (Belarus, Myanmar, Nordkorea und Russland) als hohes Risiko eingestuft werden sollten, während große Entwaldungsländer wie Brasilien, Indonesien oder Paraguay pauschal nur als Standardrisiko galten, wurde als unrealistisch und politisch motiviert kritisiert.
Außerdem wurden die von der EU-Kommission eingeführten Vereinfachungen (wie jährliche Sorgfaltserklärungen statt chargenweiser Dokumentation) skeptisch betrachtet. Naturschutzorganisationen monieren, dass eine übermäßige Entbürokratisierung zulasten der Wirksamkeit gehen könne. Sie sehen darin ein Nachgeben gegenüber wirtschaftlichen Interessen, das die Substanz der EUDR schwächt.
Zusammengefasst wird die EUDR also von zwei Seiten unter Druck gesetzt: Die einen verlangen mehr Rücksicht auf Handelspartner und Praktikabilität, die anderen pochen auf strengstmögliche Umsetzung ohne Schlupflöcher. Die EU befindet sich hier in einem Spannungsfeld. In der bisherigen Ausgestaltung gilt die Verordnung als weltweit wegweisend, doch ihr Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, wie konsequent sie durchgesetzt wird und ob sie international als gerecht und effektiv wahrgenommen wird.
Zukünftige Entwicklungen und Perspektiven
In Zukunft wird es darauf ankommen, die getroffenen Regelungen laufend zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen. So sollen die Listen relevanter Rohstoffe und Produkte regelmäßig überprüft und bei Bedarf erweitert werden - denkbar ist etwa, dass weitere Agrargüter oder Erzeugnisse in den Geltungsbereich aufgenommen werden, falls sich neue Risiken für Wälder zeigen. Ebenso wird die EU die Risikokategorisierung der Anbauländer aktualisieren müssen, um auf aktuelle Entwaldungsdaten zu reagieren und Vertrauen in das System herzustellen. Experten fordern bereits, die Einstufungen enger an realen Entwaldungsraten auszurichten und nicht von geopolitischen Erwägungen leiten zu lassen. Technologisch dürfte die EUDR einen Schub für Innovation bedeuten: Unternehmen investieren verstärkt in
- Satelliten-Monitoring,
- Geo-Informationssysteme und
- digitale Tools,
um ihre Lieferketten transparenter zu machen. Diese Entwicklungen könnten über die EU hinaus Schule machen.
International betrachten andere große Märkte die europäischen Vorgaben genau. In einem globalen Kontext könnte die EUDR somit den Standard für verantwortungsvolle Lieferketten setzen und Druck auf andere Wirtschaftsräume ausüben, vergleichbare Maßnahmen zu ergreifen. Perspektivisch bleibt abzuwarten, wie effektiv die Entwaldungsverordnung ihre Ziele erreicht - z. B. ob tatsächlich ein messbarer Rückgang der durch EU-Konsum verursachten Entwaldung erzielt wird. Erfolgsmessungen und Berichte der EU-Kommission in den kommenden Jahren werden hier Klarheit bringen. Fest steht jedoch, dass das Bewusstsein für entwaldungsfreie Produkte zunimmt: Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher achten vermehrt darauf, wo und wie Waren produziert werden. Die EUDR schafft hierfür einen verbindlichen Rahmen. Langfristig könnte sie nicht nur die Wälder schützen, sondern auch einen Wandel hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsweisen einläuten - in der Reifen-Branche ebenso wie in vielen anderen Sektoren.
EUDR-konforme Reifen
Diese Reifen wurden gemäß der EU-Entwaldungsverordnung hergestellt. Es ist garantiert, dass nur Naturkautschuk verwendet wurde, dessen Anbau nicht zur Entwaldung geführt hat. Passen Sie die Filter wie Reifengröße, Lastindex oder Geschwindigkeitsindex an, um passende Ergebnisse zu erhalten.
Ihre häufig gestellten Fragen:
Was heißt EUDR?
EUDR steht als Abkürzung für European Deforestation Regulation, auf Deutsch meist EU-Entwaldungsverordnung genannt. Es handelt sich dabei um die Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Produkte, welche zum Ziel hat, entwaldungsbedingte Waren vom EU-Markt fernzuhalten.
Ab wann gilt die EU-Entwaldungsverordnung?
Die inhaltlichen Vorgaben der EU-Entwaldungsverordnung gelten voraussichtlich ab dem 30. Dezember 2025 für mittlere und große Unternehmen. Kleinst- und Kleinunternehmen erhalten unter Auflagen eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2026, bevor die Regeln auch für sie vollumfänglich gelten.
Welches Ziel hat die EU-Entwaldungsverordnung?
Ziel der EUDR ist es, dass keine Produkte mehr auf dem EU-Markt angeboten werden, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Die Verordnung soll den EU-Beitrag zur globalen Entwaldung drastisch reduzieren, Treibhausgasemissionen senken und den Schutz der biologischen Vielfalt fördern.
Wer ist von der EUDR betroffen?
Betroffen sind alle Unternehmen, die die in der Verordnung gelisteten Rohstoffe oder daraus hergestellten Waren in der EU in Verkehr bringen oder aus der EU exportieren. Dazu zählen Soja, Rinderfleisch, Palmöl, Kakao, Kaffee, Holz, Papier und Gummi.
Welche Produkte fallen unter die Entwaldungsverordnung?
Die Verordnung erfasst sieben Rohstoffkategorien: Rinder (und Rindfleisch/Leder), Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz. Unter die Regelung fallen sowohl diese Rohmaterialien selbst als auch zahlreiche daraus hergestellte Produkte.
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